„Das Steirische EU-Kultur-Taxi“

Eine Reflexionsfahrt in die Zukunft

INTENTION

(c) Lucas PfeiferDie Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik hat sich seit Jahren mit dem Thema Europa in diversen Diskursen auseinandergesetzt. Bereits Anfang der 1990er Jahre beschäftigte sie sich mit dem Beitritt Österreichs in die Europäischen Union.
In einer Enquete wurde damals u.a. mit dem Experten für europäische Soziokultur Jean Hurstel und dem Grazer Autor und EU-Parlamentsmitarbeiter Herwig Kaiser über den Integrationsprozess in Europa, die Auswirkungen auf die kulturelle Identität der Europäer*innen und ihren Chancen diskutiert.

Eine wesentliche Rolle kam dabei den Regionen und Gemeinden zu, denn laut Kaiser „… darf die Kultur der neuen „Weltordnung“ vor allem nicht als „Kitt für gesellschaftspolitische Differenzen“ instrumentalisiert werden, sondern Kultur soll helfen, die Fronten konstruktiv zu diskutieren“.

Damals wie auch heute finden sich die zentralen Themen, wie die Formen der Grenzüberschreitung und kulturellen Identitätsfindung, die Problematik der Wahrung kultureller Eigenständigkeit und Möglichkeiten der Öffnung nach außen im Programm der GKP.

➔ Genau in diesem Spannungsfeld zwischen Kultur, Regionalität und Europäischer Union agierte das Steirische EU-Kultur-Taxi und war viermal von Graz aus zu regionalen Kooperationspartner*innen unterwegs.

➔ Wir haben das Taxi gemeinsam mit Kooperationspartner*innen nach dem bottom-up-Prinzip konzipiert, um mehr Publikum auch abseits der Premieren und Eröffnungen zu gewinnen.

Grafik: Lukas Pfeifer

ZUGÄNGE SCHAFFEN

Im Vordergrund stand eine fachlich fundierte Informationsvermittlung, die das kulturelle Angebot von Graz aus geografisch erweitern und neue Zugänge schaffen kann.

Bei den unterschiedlichen Regionen – Liezen, Bad Radkersburg, Mürzzuschlag und Murau – wurde je auf einen besonderen EU-Themenschwerpunkt der Fokus gelegt, der sich aus den Bedürfnissen der Regionen und/oder der geografischen Lage ergab. Diese Themen wurden gespiegelt und es wurde beleuchtet, welche Positionen die Europäische Union dazu einnimmt.

 

NACHHALTIGKEIT

Der Begriff „Taxi“ wurde im gesamten Projekt als Synonym für ein Transportmittel gewählt. So weit es möglich war, nutzen wir im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes, den Zug oder Bus für unsere Ausfahrten.
Gerade durch die Kooperation mit Radio Freequenns in Liezen und die Diskussion in der Arkade findet bis heute das Thema „Mobilität“ in Zusammenhang mit Kulturveranstaltungen und Regionalentwicklung große Beachtung und wurde bereits mehrfach in unterschiedlichsten Formaten weitergedacht- und entwickelt.

DAS WAREN DIE VIER TAXI FAHRTEN

Einen Fotorückblick gibt’s hier >> Fotos vom Steirischen EU-Kultur-Taxi

FIRST STOP LIEZEN

EU-Themenschwerpunkt: Mobilität | Gleichstellung
Kooperationspartner*in: RADIO FREEQUENNS
Fr., 25. März 2022

Zugfahrt von Graz nach Liezen, Besichtigung Radiostudio, anschl. Diskussion in der Kunstgalerie in der Arkade Liezen

Mit dem Zug ging es Richtung Obersteiermark. Die „Taxi-Gruppe“ wurde von der Gastgeberin Hilde Unterberger vom freien Radio Freequenns vom Bahnhof bereits abgeholt.
Sie zeigte uns das Radiostudio und gab uns Einblicke in den Alltag des Sendungsmachens.
Anschließend gingen wir nach einem Altstadtrundgang ins Einkaufszentrum Arkade. Dort behandelten wir gemeinsam mit unserem Kooperationspartner die Themen Mobilität und Gleichstellung im regionalen und kulturellen Kontext.
In einem Gespräch mit betroffenen und verantwortlichen Personen diskutierten wir über die Erreichbarkeit von Veranstaltungen, wie Veranstalter*innen mit fehlenden öffentlichen Anbindungen umgehen und wie europäische Fördermodelle dabei helfen können, nachhaltig Zugänge zu kulturellem Angebot zu schaffen – best practice Beispiel inklusive.

Diskussion mit:
Eingangsstatement durch Mag. Stefan Börger, LL.M., Leiter des Referates Europa und Außenbeziehungen Sandra Kocuvan/GF GKP (Steir. Gesellschaft für Kulturpolitik)
Stefan Börger/Referat Europa und Außenbeziehungen beim Land Steiermark
Heinz Leitner/EU-Gemeinderat, Kulturinitiator und –netzwerker
Manfred Schrögnauer/Kulturmanager und aktiv bei Kultur im Zentrum Rottenmann
Eva Stiermayr/GF RML Bezirk Liezen
Ramona Neureiter/Tänzerin bei ‚Glacier Clash‘, einer Urban-Dance-Gruppe aus Schladming.
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Bericht: https://www.blo24.at/kulturelles/11194-mobilitaet-und-gleichstellung-im-kontext
Diskussion zum Nachhören:https://cba.fro.at/549193

SECOND STOP BAD RADKERSBURG

EU-Themenschwerpunkt: Grenzen und Frieden | Bildung
Kooperationspartner*in: PAVELHAUS
Mi., 6. April 2022

Busfahrt von Graz nach Bad Radkersburg, zuvor Besichtigung der Ausstellung im Museum des Wahnsinns, anschl. Besichtigung der Ausstellung und Diskussion im Pavelhaus

Wir fuhren wir mit dem Bus von Graz aus über Mureck, Trate, Apače und Gornja Radgona zu unserem Kooperationspartner dem Pavelhaus. Auf der Fahrt dorthin legten wir Stopps beim Grad Cmurek ein, um die Ausstellung im Museum des Wahnsinns zu besichtigen.
David Kranzelbinder begleitete uns auf der Tour und führte uns z.B. durch die Krobathmühle. Wir machten einen Zwischenstopp in Mureck und erfuhren, wie wichtig die Mur als Grenzfluss ist – Stichwort „5 Länder Biospährenpark“ – und gingen über die Freundschaftsbrücke zwischen Slowenien und Österreich, deren symbolhafte Bedeutung dieser Tage kaum zu übertreffen ist. Eine solch symbolhafte Bedeutung hat auch die Installation „Borderline“ vom Aktionskünstler Erwin Posarnig, die ebenso Eingang ins Projekt fand.
In Bad Radkersburg angekommen, begrüßte uns das „Freundschaftsorchester Musikschule Bad Radkersburg und Maestro Gornja Radgona“. Es gab eine Besichtigung der aktuellen Ausstellung im Pavelhaus und anschließend eine

Diskussion über die Bedeutung von Grenzen und Frieden im Zusammenhang mit Bildung im europäischen Kontext mit:
Eingangsstatement durch Tina Obermoser, Europe Direct Steiermark.
Kurt Flecker, Präsident der Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik
Boris Jaušovec, Journalist bei Večer
David Kranzelbinder, künstlerischer Leiter Pavelhaus
Petra Leschanz, Border Crossing Spielfeld
Maria Pichlbauer, Bildungsdirektion Steiermark
Susanne Weitlaner, Obfrau Pavelhaus
Moderation: Sandra Kocuvan

Begleitet wurden wir von einer französischen Delegation, die zu einem Austausch mit der Bildungsdirektion Steiermark in Graz zu Besuch waren. Dies war gerade für die Diskussion sehr bereichernd, da sich herauskristallisierte, dass die aus dem franz. Poitiers kommende Delegation einen ganz anderen Zugang zu Grenzen und Nachbarstaaten hat, als wir.

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Bericht über das Projekt zum Nachlesen und Interviews vom Journal des slowenischen Radioprogramms des ORF: https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3151199/
Radio Agora: https://www.agora.at/news/detail/das-steirische-eu-kultur-taxi

 

THIERD STOP MÜRZZUSCHLAG

EU-Themenschwerpunkt: Arbeit | Digitalisierung
Kooperationspartner*in: KUNSTHAUS MUERZ
Mi., 20. Juli 2022

Zugfahrt von Graz nach Mürzzuschlag, Projektvorstellung im ÖR, anschl. Besichtigung der Ausstellung und Diskussion im kunsthaus muerz

Das kunsthaus muerz erhebt den Anspruch, innovativ zu sein, österreichweite Vorbildfunktion zu haben und eine permanente Demonstration überregional wirksamen Kulturschaffens darzustellen. Es versteht sich als Ort des interdisziplinären Dialoges, wobei die Sparten Musik, Literatur, bildende Kunst, Architektur, intermediale Formen und Wissenschaft im Vordergrund stehen.
Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner kunsthaus muerz erkundeten wir vor Ort die Gegend und gingen den Fragen nach, wie Arbeit und Digitalisierung die gesellschaftlichen- und kulturellen Strukturen beeinflussen, wie die Region u.a. auf politischer Ebene den Standort stärkt und welche wesentliche Rolle dabei die internationalen Kunst- und Kulturangebote sowie ehrenamtliches Engagement in der Region spielen.
Thema war auch die Erschließung durch den Basistunnel als Teil der Baltisch-Adriatischen Achse und was diese internationale Erschließung für die Zukunft der Region bedeuten kann.

Im Zuge des EU-Themenschwerpunkts Digitalisierung präsentierten uns Werner Schweiger und Ivan Bandic das Projekt „Kafka – Das Schweigen der Sirenen“, ein interaktives und begehbares Stück in einer Mischung von Film, Spiel und Escape Room basierend auf Augmented Reality. Die Handlung führt im virtuellen Raum durch das reale Mürzzuschlag zu Figuren aus Kafkas Romanen und Texten, die die Geschichte weiter vorantreiben, zu Installationen, zu Historischem, das zu neuem Leben erweckt wird oder zu Rätseln und Aufgabenstellungen.

Gespräch mit:
Mag.a Ursula Horvath, GF kunsthaus muerz
Sandra Kocuvan MSc, GF Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik
Werner Schwaiger, kunsthaus muerz und Steirische Eisenstraße
Ivan Bandic, Fotograf / Filmemacher Mürzzuschlag
Waltraut Gschiel, Künstlerin/Keramikerin, Kapfenberg

FOURTH STOP MURAU

EU-Themenschwerpunkt: Umwelt- und Klimaschutz | Gender
Kooperationspartner*in: MURAUERINNEN
Fr., 26. August 2022

Busfahrt von Graz nach Oberwölz, zuvor Zwischenstopp in Scheifling im Hirthaus, anschl. Waldspaziergang mit Fachinputs

Im Bezirk Murau beschäftigten wir uns mit dem Umwelt- und Klimaschutz und welche Rolle Gender-Mainstreaming dabei spielt – also Themen, die leider gerade jetzt aktueller denn je sind und dringend in den Alltags-Fokus gerückt gehören!
Unserer Kooperationspartnerin war der Verein murauerInnen – Verein zur Vernetzung von Frauen im und aus dem Bezirk Murau. Die murauerInnen sind ein Paradebeispiel für gelebte Frauensolidarität am Land. Erklärtes Ziel der Initiative: Das Rollenbild „der Frau am Land“ soll erweitert, die Vielfalt möglicher Rollenbilder sichtbar gemacht werden. Die kreativen Wege, die dabei beschritten wurden, reichen von Kunst- und Kulturarbeit über Social-Media bis zu World Cafés und zielen auf Frauen ab, die in den Bezirk zugezogen oder nach längerer Zeit wieder zurückgezogen sind.

Gemeinsam mit den murauerInnen – Verein zur Vernetzung von Frauen im und aus dem Bezirk Murau haben wir diese EU-Themenschwerpunkte in einem ökologisch-philosophischen Waldspaziergang in Oberwölz mit den Expert:innen Gunilla Plank und Albin Petkovic reflektieren.

Doch zuvor machen wir noch einen Zwischenstopp im Hirthaus in Scheifling, wo wir die von Maren Hirt kuratierte Konzeptausstellung des „Kollektiv Möglichkeitsmensch“ besichtigen, die thematisch perfekt zur vierten Taxi-Fahrt passte:

KOLLEKTIV MÖGLICHKEITSMENSCH
Wer sagt uns, dass das letzte Wort der gesellschaftlichen Evolution schon gesprochen ist? Stellen wir uns eine Welt dezentraler Gemeinschaften vor, viel kleiner als Staaten, fähig sich selbst zu regulieren und zu reproduzieren aufgrund einer geteilten globalen Wissensbasis. Unendlich fähig, im Inneren Probleme zu lösen und Potentiale zu entfalten. Regenerativ – wie die Pflanzen, die aus Sonnenlicht, atmosphärischem Kohlenstoff und Mineralen mit Hilfe mikroskopischer Helfer eine Fülle von stofflichem Reichtum, Farben und Formen erschaffen. Dezentrale Gemeinschaften, die sich zueinander verhalten wie die Zellen eines Körpers, eines planetaren Körpers, einander stützen und tragen. Eine Welt der kulturellen Vielfalt und dennoch von kooperativer Einheit.
Franz Nahrada, Wien 2022 (GIVE Labor für Globale Dörfer)

Der Zwischenstopp in Scheifling wurde in Kooperation mit dem Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz koordiniert und beworben. So konnten wir Synergien nutzen, um mehr Publikum zur Vernissage ins Hirthaus zu bringen.
Als alternatives Schlechtwetterprogramm organisierten wir auch eine Führung mit der