About War – Die Sprache des Krieges

Worte für das Unsagbare

Im 21. Jahrhundert verfolgt die Welt den Krieg live auf Social Media.
Das hat jedoch nichts am Unwissen und an der Ignoranz geändert. Nichts daran, dass Menschen im Stich gelassen werden, in Syrien, in Afghanistan, in Yemen. In der Ukraine. Gleichzeitig bedeutet es Öffentlichkeit für jede*n Einzelne*n und damit Verantwortung.
Es bedeutet, nicht wahllos Meldungen aus unbekannten oder nur scheinbar vertrauenswürdigen Quellen weiter zu verbreiten.
Es bedeutet zu hinterfragen, wer spricht, warum und worüber. Es bedeutet, die Worte genau abzuwägen, denn sie sind Munition.
Sie sind es in jedem Krieg und in jeder Krise. Worte definieren, weisen Be-Deutung zu, historisch, gegenwärtig, zukünftig.
Was wir heute schreiben, ist die Realität von morgen.

Darum geht es in About war – Die Sprache des Krieges.

Seit Beginn dieses Krieges erleben wir eine Re-Legitimation toxischer Männlichkeit, ja deren Stilisierung zum archaischen Heldenbild wenn der Held denn nur auf der richtigen Seite für die richtige Sache ins Feld zieht. Frauen hingegen werden nahezu ausschließlich in der Opfer- und/oder Mutterrolle dargestellt. Egal wie viele Soldatinnen, Strateginnen, Expertinnen, Politikerinnen gerade die Geschehnisse mitbestimmen — es sind Männer, die in die Geschichtsbücher geschrieben werden, im 21. Jahrhundert. Erschreckend, wie schnell diese überkommenen Muster wieder da sind und mit einem Streich die Errungenschaften jahrzehntelanger Kämpfe um ein egalitäres Geschlechterbild vom Monitor wischen.

Es wirkt, als hätte sich ein Ventil geöffnet, das nun endlich wieder guten Gewissens erlaubt, in die Kriegsbegeisterung lautstark miteinzustimmen. Besonders folgenreich ist dies, wenn Journalist*innen von einem Tag auf den anderen die Grundlagen ihres, unseren Berufes zu vergessen scheinen und aufs Geratewohl ihrer Selbstgerechtigkeit in den Kommentarspalten freien Lauf lassen. Damit meine ich nicht jene, die jahrzehntelang aus Kriegsgebieten berichten, von ihnen lese und höre ich dieser Tage oft wohlüberlegte Worte. Denn sie sind es, die ihr Leben im Einsatz für Information und Zeugenschaft riskieren und, wie auch in diesem Krieg, viel zu oft damit bezahlen. Diejenigen jedoch, deren Feld bis dato nicht die Krisenberichterstattung war und die dementsprechend wenig Expertise in diesem Bereich haben, sind es, die mitunter am lautesten brüllen und einmal mehr sich selbst und nur sich selbst in den Mittelpunkt rücken. Das ist gefährlich, denn dieser Krieg ist, vielleicht mehr als jeder zuvor (aufgrund der technischen Möglichkeiten bzw. deren Beschneidung), auch ein Informationskrieg neuer Dimensionen.

 

Diskurs statt Ignoranz

Nicht zuletzt deshalb ist es so essentiell, Raum für Diskurs jenseits von Oberflächlichkeit und propagandistischen Parolen zu schaffen. Krieg stellt die höchste Stufe patriarchaler und rassistischer Gewalt dar. Eine feministische, demokratische Position kann nur eine sein, die sich gegen jegliche Glorifizierung des Krieges und das Wiedererstarken archaischer Rollenmuster wendet, aber ohne jedes Zögern Partei ergreift gegen Unterdrückung, Verfolgung und gewaltsame Einschränkung von Selbstbestimmung. Solidarität ist das Gegenteil von Krieg und vielleicht die einzige Waffe, um ihn dauerhaft zu verhindern.

Ein fundierter Diskurs fehlt in der österreichischen medialen, aber auch literarischen Öffentlichkeit weitgehend. Er fehlt nicht erst seit dem Beginn der russischen Invasion, er fehlt vielmehr seit Jahren und Jahrzehnten. Die mediale Präsenz des Kriegs in der Ukraine geht inzwischen merklich zurück, doch die Krise bleibt und wird verschärft, tagtäglich.

5. Januar 2023

„Gedichte“

von Yuliia Iliukha

 

5. Januar 2023

„Frau, Leben, Freiheit“ – auf der Straße, überall.

von Johann Herrach

 

21. Dezember 2022

„Ähnlich – Verbrannt – Verstehen“

von Habiba Karimian „Narges Niromand“

 

AKTIVITÄTEN

DISKUSSION „ABOUT WAR – DIE SPRACHE DES KRIEGES“
Do, 26. Jänner 2023, 19 Uhr, Voksgartenpavillon Graz

Auf dem Blog tatsachen.at sowie in einer Sonderausgabe des ausreißers in Kooperation mit der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik, die Ende Jänner 2023 erscheint, wird Autor*innen, Künstler*innen, Journalist*innen eine Stimme zum Thema „About war“ gegeben.

Idee und Umsetzung: Evelyn Schalk

Beitragsbild:
„Solidarity“ — Die 24-jährige ukrainische Künstlerin Margo Sarkisova hat bis zum Beginn der russischen Invasion in Kharkiv gelebt und gearbeitet. Kurz nach Kriegsbeginn ist sie vor den Bombardements nach Lviv geflohen. Ihr gezeichnetes „War diary“ veröffentlicht sie seither auf ihrem Instagram Feed @margopersimmon. Foto: Margo Sarkisova